
Royal Ascot zählt zu den ältesten und prestigeträchtigsten Pferderennveranstaltungen der Welt. Seit 1768 treffen sich in der Grafschaft Berkshire nicht nur Pferdesportliebhaber, sondern auch die britische High Society, Royals, Modeikonen und Prominente zum vielleicht stilvollsten Event des Jahres.
Doch während die Rennen das formale Zentrum des fünftägigen Spektakels bilden, hat sich im Laufe der Jahrzehnte ein zweites, nicht weniger wichtiges Ereignis etabliert: das modische Schaulaufen der Gäste. Hüte, Kleider und Accessoires stehen im Fokus der Kameras – und manchmal sogar mehr als die sportliche Action auf der Rennbahn.
Tradition trifft Dresscode
Royal Ascot ist nicht einfach ein sportliches Event – es ist ein Ritual. Und wie jedes Ritual kennt es seine Regeln. Eine der zentralen Konventionen ist der Dresscode, der für verschiedene Zuschauerbereiche unterschiedlich streng geregelt ist. Besonders in der Royal Enclosure, dem exklusivsten Abschnitt, gelten fast zeremonielle Kleidervorgaben. Männer erscheinen hier traditionell im schwarzen oder grauen Gehrock (Morning Dress), mit Weste, Krawatte und Zylinder. Damen tragen elegante Tageskleider mit einem obligatorischen Hut oder Fascinator – ein dezenter Haarreif genügt nicht. Der Dresscode verbietet auffällig tiefe Ausschnitte, Spaghettiträger, durchsichtige Stoffe oder Kleider, die zu viel Bein zeigen.
Etwas entspannter geht es in der Queen Anne Enclosure oder der Village Enclosure zu, doch auch hier bleibt ein hohes Maß an Eleganz Pflicht. Jeans, Shorts, bauchfreie Tops oder Turnschuhe sind grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Formstrenge ist nicht nur Ausdruck aristokratischer Etikette, sondern auch ein Symbol für Kontinuität und Exklusivität – Merkmale, die Royal Ascot seit Jahrhunderten definieren.
Die Hut-Kreationen als Event im Event
Kaum ein anderes Modeaccessoire ist so eng mit Royal Ascot verknüpft wie der Hut. Er ist nicht nur stilistisches Element, sondern regelrecht ein Statussymbol – und wird alljährlich zum künstlerischen Wettbewerb. Auf der Tribüne konkurrieren florale Gebilde, architektonische Fantasien, bunte Explosionen und verspielte Miniaturskulpturen um Aufmerksamkeit. Besonders beliebt sind auffällige Einzelstücke mit Federn, Seide, Obst-Attrappen oder geometrischen Formen.
Hutmacher wie Philip Treacy oder Rachel Trevor-Morgan, die auch Mitglieder der Royal Family ausstatten, sind längst selbst Ikonen der Ascot-Kultur. Die Nachfrage ist riesig: Allein der Londoner Verleih „Hectic Hat Hire“ verzeichnet in der Ascot-Woche über 600 Buchungen. Je nach Design liegt der Mietpreis zwischen 35 und 125 britischen Pfund – Tendenz steigend. Viele Besucherinnen gönnen sich Jahr für Jahr neue Kreationen oder kombinieren bereits getragene Hüte mit anderen Kleidern, um den modischen Spannungsbogen aufrechtzuerhalten.
Der Hut ist in Ascot kein Beiwerk, sondern Inszenierung. Wer besonders auffallen will, bezieht ihn bewusst in das Styling als Eyecatcher ein. Nicht selten sind es die Kopfbedeckungen, die ihren Trägerinnen in der Presse einen Platz auf den Best-Dressed-Listen sichern. Dabei gilt eine Faustregel: Je extravaganter, desto besser – solange der Dresscode nicht verletzt wird.
Royals & Fashion – ein Trendbarometer
Mit besonderem Interesse wird jedes Jahr das Erscheinen der Royal Family erwartet. Nicht nur wegen ihrer gesellschaftlichen Bedeutung, sondern auch, weil sie als stilprägende Instanz wahrgenommen wird. Besonders in diesem Jahr sorgte Harriet Sperling, die neue Partnerin von Peter Phillips (Sohn von Prinzessin Anne), für Aufsehen. In einem eleganten Tweed-Kleid von Suzannah London, kombiniert mit einem blassrosafarbenen Fascinator, begeisterte sie die Fashion-Community – ein möglicher Aufstieg zur neuen Stil-Ikone scheint möglich.
Queen Camilla hingegen setzte auf traditionelle Noblesse: ein salbeigrünes Kleid von Dior, ergänzt durch die diamantene Cullinan-V-Brosche und eine dreireihige Perlenkette. Ihr Outfit vermittelte klassische Eleganz und gleichzeitig Zugehörigkeit zum Monarchie-Erbe. Auch King Charles III. zeigte sich in gewohntem Maßanzug und Zylinder – stets stilvoll und unaufdringlich.
Zara Tindall, bekannt für ihren sportlich-klassischen Look, entschied sich dieses Jahr für ein mintgrünes Kleid mit floralen Akzenten, kombiniert mit einem Hut im Vintage-Stil – eine subtile Verbeugung vor ihrer Großmutter Queen Elizabeth II. Ebenso auffällig waren die Outfits von Prinzessin Beatrice und Sophie, Herzogin von Edinburgh. Beide setzten auf nachhaltige Mode mit britischer Herkunft – ein Zeichen, dass auch bei Royals Mode und Haltung kein Widerspruch sein müssen.
Promis & Influencer
Doch nicht nur Adelige glänzen bei Royal Ascot. Die Zahl der prominenten Gäste aus Medien, Kultur und Social Media wächst von Jahr zu Jahr. Influencerinnen wie Lottie Moss, Georgia Toffolo oder Lucy Mecklenburgh nutzten das Event als Bühne für auffällige Looks in leuchtenden Farben, figurbetonten Kleidern und aufwändigen Hüten. Besonders beliebt waren in diesem Jahr smaragdgrüne, sonnengelbe und lavendelfarbene Kleider – Farben, die sowohl zur britischen Sommerlandschaft als auch zu den traditionellen Polorennfarben passen.
Mode-Expertin Clemmie Fieldsend rät Besucherinnen dennoch zur praktischen Eleganz. „Wer ein komplett weißes Kleid trägt, riskiert schnell Flecken – und das kann an einem Tag voller Champagner, Erdbeeren und Rasen fatal sein.“ Ihr Tipp: dezente Muster, atmungsaktive Stoffe und bequeme, elegante Schuhe mit Blockabsatz.
Lifestyle & Atmosphäre
Royal Ascot wäre nicht Royal Ascot ohne sein einmaliges Ambiente. Das gesellschaftliche Treiben, der Live-Einzug der Royals in offenen Kutschen, das Klingen der Gläser und das Murmeln des Publikums schaffen eine fast magische Mischung aus Sport und Festlichkeit. Während auf der Rennbahn hochdotierte Pferde um Prestige und Preisgelder kämpfen, lassen sich die Gäste kulinarisch verwöhnen: feine Sandwiches, exklusive Afternoon Teas, Erdbeeren mit Sahne und Champagner gehören zum Standard.
Ein Großteil des Erlebnisses ist das Sehen und Gesehenwerden. Gäste posieren vor Blumenkulissen, Promis geben Interviews, Influencer teilen ihre Looks in Echtzeit auf Instagram. Ascot hat sich in den letzten Jahren zur britischen Antwort auf den Met Gala Red Carpet entwickelt – mit dem Unterschied, dass hier Tradition mit Stolz mitgetragen wird.
Ausblick & Trends
Die modische Relevanz von Royal Ascot scheint ungebrochen. Im Gegenteil: In Zeiten globaler Unsicherheit bietet das Event einen Anker für klassische Ästhetik, aber auch eine Plattform für neue stilistische Experimente. Immer mehr Designer mit britischen Wurzeln wie Suzannah London oder Beulah London nutzen Ascot gezielt, um ihre Kollektionen prominent zu platzieren – getragen von Royals und Celebrities gleichermaßen.
Ein neuer Trend ist dabei auch die Nachhaltigkeit: Hüte werden zunehmend geliehen statt gekauft, Kleider mehrfach getragen, Stoffe bewusster ausgewählt. Zara Tindall etwa wurde dieses Jahr erneut in einem Kleid gesehen, das sie bereits 2022 getragen hatte – und bewies damit, dass Stilbewusstsein nicht im Widerspruch zur Verantwortung stehen muss.
Mehr als ein Pferderennen
Royal Ascot ist weit mehr als ein Pferderennen. Es ist eine Bühne für Mode, ein Seismograf für Trends und ein Symbol britischer Lebensart. Das Zusammenspiel aus strengen Dresscodes, königlicher Eleganz, extravaganter Hutmachtkunst und gesellschaftlichem Glanz macht das Event zu einem einmaligen Spektakel. In einer Zeit, in der Mode oft kurzlebig ist, bietet Ascot eine Mischung aus Beständigkeit, Kreativität und gesellschaftlichem Statement.
Ob als Fashion-Hotspot, royales Familientreffen oder Ort kulinarischer Genüsse – Royal Ascot bleibt ein Fixstern am britischen Veranstaltungshimmel. Und vielleicht ist es gerade dieses Gleichgewicht zwischen Tradition und Zeitgeist, das die Faszination Jahr für Jahr aufs Neue entfacht.