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Secondhand-Kleidung: Wie Vinted Amazon, Temu und Shein überholt – ein Trend für Klima und Konsum

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Der Aufstieg der Secondhand-Mode

Lange Zeit galt Secondhand-Mode als Notlösung oder Stilmittel alternativer Subkulturen. Doch diese Wahrnehmung hat sich in den letzten Jahren drastisch gewandelt. Heute ist das Tragen von gebrauchter Kleidung nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, sondern Ausdruck eines bewussten Lebensstils. Besonders junge Generationen, die sich der Klima- und Umweltproblematik stellen, greifen zunehmend zu bereits getragenen Kleidungsstücken.

Im Zentrum dieses Wandels steht die Plattform Vinted, ein litauisches Unternehmen, das inzwischen weltweit mehr als 105 Millionen Nutzer:innen zählt. Die Idee ist einfach, aber effektiv: Menschen können über die Plattform ihre gebrauchten Kleidungsstücke verkaufen oder tauschen – direkt, unkompliziert und meist zu erschwinglichen Preisen. Vinted hat es mit diesem Modell geschafft, in vielen Ländern zur ersten Adresse für Secondhand-Mode zu werden. In Frankreich ist die Plattform inzwischen sogar beliebter als Amazon, zumindest was den Modebereich betrifft. Das zeigt, wie stark sich Konsumgewohnheiten verschieben.

Vinted vs. Amazon, Temu und Shein: Ein ungleicher Vergleich?

Während Amazon, Temu und Shein in der Vergangenheit mit schnellen Lieferungen, Massenware und aggressiven Preisen die globale Modewelt dominiert haben, geraten sie zunehmend in die Kritik. Vorwürfe zu miserablen Arbeitsbedingungen, übermäßiger Verpackungsmüll und Wegwerfmode schaden dem Image der einst gefeierten Tech-Riesen. Vinted hingegen profitiert von einem immer stärker werdenden Wertewandel im Konsumverhalten: weniger Neuware, mehr Kreislaufwirtschaft.

Vinted unterscheidet sich dabei grundlegend von seinen Mitbewerbern. Das Unternehmen fungiert nicht als Händler, sondern als Vermittler. Die Kleidung wird direkt von Nutzer zu Nutzer verkauft – Vinted bietet die Plattform, Zahlungsabwicklung und auf Wunsch den Versandservice. Dieses Peer-to-Peer-Modell ist effizient, schlank und vor allem: nachhaltig.

Finanziell kann sich dieser Ansatz ebenfalls sehen lassen. Im Jahr 2023 erzielte Vinted einen Nettogewinn von rund 17,8 Millionen Euro. Die Plattform ist mittlerweile in 23 Märkten aktiv und expandiert stetig weiter. Shein und Temu dagegen geraten vermehrt unter politischen und ökologischen Druck – sowohl in Europa als auch in den USA.

Secondhand als Beitrag zum Klimaschutz

Einer der größten Vorteile von Secondhand-Kleidung liegt auf der Hand: Sie spart Ressourcen. Laut dem Vinted Impact Report 2023 wurden durch den Kauf gebrauchter Kleidung auf der Plattform rund 680.000 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. Das entspricht in etwa den jährlichen Emissionen von 150.000 Autos.

Im Durchschnitt reduziert der Kauf eines Secondhand-Kleidungsstücks den CO2-Fußabdruck um 1,8 Kilogramm CO2e im Vergleich zum Neukauf. Das liegt daran, dass die energieintensive Herstellung von Textilien entfällt – insbesondere bei Baumwolle, deren Anbau große Mengen Wasser und Pestizide benötigt. Auch Transport, Verpackung und Lagerhaltung entfallen oder werden durch effizientere Wege ersetzt.

Laut dem Report ersetzen 40 Prozent der Käufe auf Vinted tatsächlich einen Neukauf. Das bedeutet, dass diese Käufer:innen sich bewusst gegen den Kauf eines neuen Produkts entschieden haben – ein starkes Signal für die Wirkungskraft nachhaltiger Plattformen.

Nutzerverhalten und Wahrnehmung: Secondhand als Qualitätserlebnis

Secondhand ist längst nicht mehr gleichbedeutend mit abgetragener, billiger Kleidung. Viele Käufer:innen berichten, dass die Qualität der Stücke gleichwertig oder sogar besser sei als bei neuer Ware. Laut einer Vinted-Umfrage aus dem Jahr 2023 sagen 84 Prozent der Nutzer:innen, dass gebrauchte Kleidung mindestens genauso hochwertig sei wie neue.

Dieser Trend verändert auch das Verhalten der Verkäufer:innen. Viele achten stärker auf die Pflege ihrer Kleidung, um sie in gutem Zustand weiterverkaufen zu können. Das verlängert nicht nur die Lebensdauer der Kleidungsstücke, sondern führt zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit Konsumgütern.

Zudem wächst das Bewusstsein für Modezyklen und Trends. Nutzer:innen wählen bewusst Stücke aus früheren Kollektionen, kombinieren sie kreativ oder setzen auf zeitlose Klassiker. Der Konsum wird nicht nur nachhaltiger, sondern auch individueller.

Logistik und Innovation: Vinted Go und smarte Lieferlösungen

Ein weiterer Faktor für den Erfolg von Vinted ist die konsequente Verbesserung der Infrastruktur. Unter dem Label „Vinted Go“ arbeitet das Unternehmen seit 2022 an einem eigenen Logistiknetz. Besonders in Städten wie Paris wurden Abholstationen und Paketboxen eingerichtet, die ausschließlich für Vinted-Transaktionen vorgesehen sind.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Nutzer:innen können unabhängig von Öffnungszeiten Pakete abholen oder verschicken, gleichzeitig wird der Lieferverkehr gebündelt und dadurch Emissionen eingespart. In Paris erfolgt ein Großteil der Transporte bereits mit E-Fahrzeugen oder Lastenrädern.

Dieses Logistikmodell bietet nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch wirtschaftliche. Durch geringere Lieferkosten und schnellere Abwicklung bleibt die Plattform auch im Vergleich zu den Versandgiganten konkurrenzfähig.

Herausforderungen und Potenzial für die Zukunft

Trotz der beeindruckenden Zahlen bleibt Secondhand-Mode noch ein Nischenmarkt – wenn auch ein wachsender. Der Großteil des Modeumsatzes wird weiterhin mit neuer Kleidung generiert. Doch der Trend ist eindeutig: Das Bewusstsein für die ökologischen Kosten der Textilproduktion steigt, insbesondere bei jungen Menschen.

Vinted erkennt dieses Potenzial und arbeitet aktiv an einer Erweiterung seines Portfolios. Neben Kleidung sollen künftig auch andere Konsumgüter wie Elektronik, Accessoires und Luxusartikel in den Secondhand-Kreislauf integriert werden. Kooperationen mit Marken wie Burda Style zeigen zudem, wie sich kreative Synergien aus der Verbindung von Upcycling, DIY und digitalem Marktplatz ergeben können.

Auch regulatorisch dürfte sich in den kommenden Jahren einiges tun. Die EU plant strengere Vorgaben für Textilunternehmen, insbesondere in Bezug auf Kreislaufwirtschaft, Transparenz und Rückverfolgbarkeit. Vinted könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen – und mit seinem Modell eine Blaupause für zukunftsfähigen Konsum liefern.

Eine stille Revolution der Modewelt

Vinted ist mehr als nur eine Handelsplattform – es ist ein Symptom eines grundlegenden Wandels im Konsumverhalten. Während Fast-Fashion-Anbieter wie Shein und Temu mit immer günstigeren Preisen um Aufmerksamkeit buhlen, entscheiden sich Millionen Menschen bewusst für ein anderes Modell: das der Wiederverwendung, der Wertschätzung und der Klimagerechtigkeit.

Was früher als „gebraucht“ und minderwertig galt, wird heute als „vintage“ und nachhaltig gefeiert. Secondhand ist im Mainstream angekommen – und Vinted ist das sichtbarste Zeichen dieses neuen Bewusstseins. Die Plattform zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und ökologische Verantwortung kein Widerspruch sein müssen.

Wenn Plattformen wie Vinted weiterhin innovativ, transparent und nutzerzentriert arbeiten, könnten sie nicht nur den Modemarkt revolutionieren – sondern auch zu einem zentralen Baustein einer klimabewussteren Wirtschaft werden.

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