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Krawatte – Out oder Trendsetter?

In den letzten Jahren schien sie in der Versenkung verschwunden zu sein: die Krawatte. Einst Sinnbild für Seriosität, Professionalität und maskuline Eleganz, wurde sie in vielen Büros zur Ausnahme.

Der Casual-Dresscode und Homeoffice boomten – doch jetzt ist sie zurück. Und nicht nur als Pflichtaccessoire bei Banken oder Anwälten, sondern als Ausdruck von Individualität, Modebewusstsein und sogar Rebellion gegen den Einheitslook.

„Gerade junge Leute haben wieder mehr Spaß an der Krawatte, weil sie ein Unterscheidungsmerkmal ist“, sagt Barbara Pauen, Geschäftsführerin der Ascot GmbH, einem der führenden Krawattenhersteller Deutschlands. Die Frage lautet daher nicht mehr, ob die Krawatte out ist – sondern in welcher Form sie ihr Comeback feiert.

Historischer Rückblick

Die Geschichte der Krawatte beginnt bereits im 17. Jahrhundert mit den kroatischen Söldnern, die ein Halstuch trugen – die sogenannte „Cravate“. Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich das Accessoire von einem militärischen Element zur aristokratischen Zierde. Im 20. Jahrhundert wurde die Krawatte schließlich zum festen Bestandteil der Business-Mode – mit wechselnden Formen und Längen: Die 50er liebten schmale Modelle, die 70er feierten breite Schlipsvarianten.

1980er und 90er Jahre brachten klare Corporate-Fashion-Codes mit sich, bis in den frühen 2000ern ein allmählicher Wandel hin zu legereren Outfits einsetzte. Die Digitalisierung und der Einzug des Silicon-Valley-Style („Hoodie statt Krawatte“) führten dazu, dass viele Unternehmen ab etwa 2015 die Krawattenpflicht abschafften. Doch was nun?

Das aktuelle Comeback der Krawatte

Wirtschaftliche Indikatoren

Krawattenhersteller wie Ascot oder Tie Solution berichten von steigender Nachfrage. Besonders auffällig: Kunden zwischen 20 und 35 Jahren kaufen wieder bewusst Krawatten – nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen.

Ein überraschendes Beispiel liefert der Kölner Modemacher Maximilian Dittrich, der eine Krawatte mit einem kleinen Diamanten besetzt und für knapp 200.000 Euro verkauft hat. Selbst wenn dies eine extreme Ausprägung ist, zeigt es: Die Krawatte ist mehr als ein Gebrauchsgegenstand – sie ist Teil eines Statements.

Modetrends 2025

Auf den Laufstegen von Paris bis Kopenhagen war sie zuletzt omnipräsent. Jil Sander kombinierte sie mit minimalistischen Anzügen, Saint Laurent präsentierte sie in punkiger Ausführung, und sogar Ralph Lauren zeigte Krawatten zu Jeansjacken.

Insbesondere die Copenhagen Fashion Week 2025 setzte neue Maßstäbe: Krawatten bei Frauen wurden dort spielerisch mit Oversize-Hemden, Röcken oder gar sportlicher Kleidung kombiniert – ein klares Signal, dass sich das Accessoire emanzipiert hat.

Stilrichtungen & Einsatzmöglichkeiten

Materialien & Designs

Die moderne Krawatte kommt in zahlreichen Varianten daher: Seide bleibt der Klassiker, doch Strickkrawatten aus Wolle oder Baumwolle sind ebenfalls stark im Kommen – gerade in Kombination mit casual Looks. Nachhaltige Varianten aus recycelten Fasern oder Leinen finden ebenso ihre Abnehmer.

Trendfarben für 2025 sind dunkles Violett, Tannengrün und gedecktes Ocker – Farben, die sowohl modisch als auch kombinierbar sind. Hinzu kommen Muster wie Streifen, Punkte, Paisley und geometrische Motive.

Neue Trageformen

Besonders spannend ist, wie die Krawatte heute getragen wird. Nicht mehr streng gebunden zum Anzug, sondern locker geknotet über ein T-Shirt, als schmales Band unter einer offenen Bluse oder sogar als Gürtel zweckentfremdet. Influencerinnen auf Instagram und TikTok stylen sie mit Shorts, Blazern oder Oversize-Sakkos.

Der Trend „Officecore“ – eine Art stilisierter Bürolook – etabliert sich ebenfalls. Hier wird die Krawatte als ironischer Bruch getragen: zu weiten Stoffhosen, Trenchcoats oder Retro-Hemden. Selbst in der Skate- und Streetwear-Szene tauchen Krawatten in Kombination mit Sneakern und Hoodies auf.

Der passende Knoten

Wer sich an die Krawatte wagt, steht auch vor der Knotenfrage. Vier Klassiker dominieren:

  • Four-in-Hand: Asymmetrisch, schmal und ideal für den Alltagslook – auch zum T-Shirt.
  • Prinz-Albert-Knoten: Doppelt gewickelt, wirkt kompakter – perfekt für dünnere Krawatten.
  • Cavendish: Elegant und doch unaufdringlich – geeignet fürs Büro.
  • Sankt-Andreas: Eine Mischung aus Seriosität und Lockerheit, ideal für „Officecore“.

Tutorials auf YouTube und Instagram zeigen inzwischen neue Knoten-Variationen oder bewusst unkonventionelle Arten des Bindens – ein weiteres Zeichen für das Revival mit kreativer Note.

Debatte: „Out“ vs. „Trendsetter“

Kritische Stimmen

Natürlich gibt es auch skeptische Stimmen. Modeautor Bernhard Roetzel etwa meint: „Die Krawatte wird nicht massenhaft zurückkommen. Dafür sind die Grenzen zwischen formell und informell heute zu durchlässig.“ Und tatsächlich: Während bei Empfängen oder politischen Anlässen Krawatten fast gänzlich verschwunden sind, hält sich der Trend eher in der Nische.

Auch der „Tech Look“ – etwa bei Firmen wie Google oder Spotify – setzt weiterhin auf den Hoodie als Statussymbol. Die Krawatte scheint dort ein Relikt vergangener Zeiten.

Pro-Trend-Argumente

Doch gerade weil sie nicht mehr verpflichtend ist, macht sie nun Spaß. Die Krawatte ist zu einem ironischen, bewussten Stilmittel geworden. Wer sie trägt, tut es freiwillig – und sendet damit ein Statement: „Ich breche mit dem Casual-Zwang.“

Modejournalistin Jana Heinrich schreibt dazu: „Die Krawatte ist heute auffälliger als ein Kapuzenpulli. Sie provoziert in ihrer altmodischen Eleganz – und das macht sie interessant.“

Zudem dauert es meist drei bis vier Jahre, bis Modetrends vom Laufsteg in die Alltagswelt diffundieren. Die aktuelle Präsenz der Krawatte auf Fashion Weeks könnte also nur der Anfang sein.

Handlungsempfehlungen für Leserinnen und Leser

Du willst die Krawatte (wieder) für dich entdecken? Dann probiere folgende Stile aus:

  • Für Modeinteressierte: Schmale Krawatte in Trendfarbe (z. B. Smaragdgrün oder Violett) zu einem weißen Oversize-Hemd und Bundfaltenhose. Kombiniert mit Sneakern oder Loafern wirkt es urban und nicht verkleidet.
  • Für Berufstätige: Setze auf klassische Muster (z. B. Streifen oder dezente Punkte) und kombiniere sie mit Hemden in gedeckten Farben. Der Four-in-Hand-Knoten wirkt besonders modern.
  • Für Mutige: Warum nicht einmal die Krawatte über ein T-Shirt ziehen oder als Accessoire für die Haare verwenden? Die Grenzen sind fließend.

Wichtig: Die Krawatte ist kein Zeichen von Konformität mehr, sondern eine bewusste Entscheidung für Stil.

Die Krawatte als Spielwiese

Die Krawatte ist keineswegs out – sie hat sich nur gewandelt. Vom Statussymbol der Macht zur Spielwiese für modische Experimente. Sie ist heute sowohl Mittel zur Abgrenzung als auch zur Individualisierung. Gerade junge Menschen entdecken sie neu – frei von Konventionen.

Zwar mag sie nicht in jedes Setting zurückkehren, doch in Mode, Popkultur und Streetstyle ist sie präsenter denn je. Ihr Comeback ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines größeren Trends: der Rückkehr zur Form, jedoch mit Ironie, Stil und Haltung.

Oder wie es Designer Henrik Vibskov formulierte: „Die Krawatte ist das neue Tattoo – sichtbar, expressiv, aber jederzeit abnehmbar.“

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